Den Vokabel-Dschungel in den Griff bekommen
Wie ein Dschungel muss es sich anfühlen, wenn Schüler mit LRS, ADHS oder anderen Problemen mit den vielen Herausforderungen beim Englisch lernen konfrontiert werden. Englisch-mit-Spaß hatten sie in der Grundschule, doch jetzt wird es ganz plötzlich ernst.
Grammatik. Sätze. Täglich auswendig lernen. Schwere Rechtschreibung. Bedeutung. Aussprache. Vokabeln, richtig viele. Wöchentlich kommen neue Vokabeln hinzu.
Doch wie der Schüler die Herausforderungen managen kann, sodass ein kontinuierlicher Lernerfolg daraus folgt, bleibt ein Geheimnis. So häufen sich von Anfang an die Lücken, und aus der ständigen Überforderung und durch Misserfolge gerät der Schüler in die berüchtigte Abwärtsspirale. Mit mehr üben ist es nicht getan, LRS-Schüler, und eigentlich alle Schüler, brauchen eine Strategie.
In diesem Beitrag beschreibe ich, wie du mit dem Zuviel an Vokabeln konstruktiv umgehen kannst. Wir müssen uns auch daran erinnern, dass LRSler dreimal so lange brauchen, bis sie eine Vokabel abgespeichert haben. Hier hilft gezielt wiederholen. Aber welche Wörter sollte man immer parat haben? Muss ich wirklich allle Wörter aus dem Englisch-Buch können oder reicht ein Grundwortschatz? Wo bekomme ich den her?
Was ist ein Grundwortschatz?
Ich betone immer wieder den hohen Nutzen eines Grundwortschatzes. Eine offizielle Definition von “Grundwortschatz”:
Teil des Wortschatzes, den jeder zuerst erlernen muss, der eine Sprache lernen will. (https://www.wortbedeutung.info/Grundwortschatz/)
Diese Definition ist sehr allgemein gehalten, denn es gibt in der Praxis ganz unterschiedliche Formen von Grundwortschätzen. Ein Grundwortschatz kann themenbezogen sein, z. B. wichtige Wörter und Redewendungen zum Reisen, Restaurant, Sport usw. Für spezielle Wörter innerhalb eines bestimmten Kontextes wirst du hier fündig: https://www.englisch-hilfen.de/exercises_list/alle_words.htm
Wie ich meinen ersten englischen Fach-Grundwortschatz aufgebaut habe
Mit Anfang zwanzig hielt ich im Biologie-Hauptstudium meinen ersten Stapel Papers (Wissenschaftliche Abhandlungen) in der Hand. Natürlich auf Englisch. “Bitte bereiten Sie ein Referat zum Thema Protein Chain reaction in BKDLKR-enzyme … vor”, so ungefähr die Aufgabe des Studienleiters. Da reichte mein erweitertes Schulenglisch bei weitem nicht aus. Ich ging pragmatisch an die Sache ran, klickte auf www.leo.org, fertigte mir einen Grundwortschatz für Biologen-Labor-Englisch an und damit entzifferte ich die enzymatischen Untiefen im Weiteren recht erfolgreich. Mein Glossar umfasste ca. 30 Wörter, die Wörtermenge war also noch überschaubar. Der Rest erschloss sich aus meinem passiven Wortschatz, Latein und Altgriechisch sei dank (um mal mit etwas aus der Schule zu punkten).
Was aber brauchen LRS-Schüler?
Für LRSler in der 5. Klasse läuft es ganz anders. Gesucht sind die häufigsten und wichtigsten Wörter des Englischen.
Doch wer legt diese Wörter fest und wie viele Wörter sollte ich davon können?
Der Dolch-Sichtwortschatz
Zusammengestellt wurden diese Wörter von Dr. Edward William Dolch, in den 1930-40er Jahren, in dem er die häufigsten Wörter aus Kinderbüchern heraussuchte. Diese Liste enthält 325 Wörter. Sobald ein Kind diese Wörter kennt, wird das Lesen viel einfacher, weil es sich leichter auf die übrigen Wörter fokussieren kann.
https://sightwords.com/sight-words/dolch/
Der Fry-Sichtwortschatz ist eine Erweiterung der Dolch-Liste auf ungefähr 1000 Wörter, der 90 % der Wörter bis 9. Klasse abdeckt.
https://sightwords.com/sight-words/fry/
Hier die ersten Hundert als Beispiel
(#1-100) a, about, all, am, an, and, are, as, at, be, been, but, by, called, can, come, could, day, did, do, down, each, find, first, for, from, get, go, had, has, have, he, her, him, his, how, I, if, in, into, is, it, its, like, long, look, made, make, many, may, more, my, no, not, now, number, of, on, one, or, other, out, part, people, said, see, she, so, some, than, that, the, their, them, then, there, these, they, this, time, to, two, up, use, was, water, way, we, were, what, when, which, who, will, with, words, would, write, you, your
Da finden sich zunächst mal gaaaanz viele Pronomen, Hilfsverbformen, Adverbien und einige Verben und Nomen.
Solche Listen bieten eine sehr gute Grundlage, um zu beurteilen, welche Wörter überlebenswichtig sind, um sich in einem englischen Text zurechtzufinden.
Anders gesagt, fehlen dem Schüler diese Wörter und er muss bei jedem zweiten Wort grübeln, bleiben kaum Ressourcen, um Satzbau und Grammatik nachzuvollziehen.
Jetzt erst recht: Mut zur Lücke
Themenbezogene Wörter, insbesondere spezielles wie budgie (Wellensittich), gehören also nicht in den Grundwortschatz, der einem LRSler nützt.
Was bietet der deutsche Markt?
Das einzig mir bekannte Grundwortschatz-Kartenset ist Englisch mit Alfi & Betti (Verlag für kognitives Lernen)
Mit diesem Set, bestehend aus 200 Wörtern, lernt jeder meiner Praxis-Schüler erfolgreich nach und nach seine Vokabeln und hat einen Grundwortschatz parat. Der Autor dieser Karteikarten hat jede Vokabel in einen kleinen Satz eingebettet, was ebenfalls das Lernen der Bedeutung vereinfacht. Schließlich besteht eine Sprache nicht aus Einzelwörtern. Wissenswertes findest du diesem Artikel:
http://www.alfi-und-betty.com/fachartikel/artikel_englische_vokabeln_lernen.pdf
Fokus auf das Wichtigste
Sobald es daran geht, Vokabeln aus früheren Lektionen zu wiederholen, also nach dem ersten halben Jahr, empfehle ich LRS-Schülern, sich auf einen Grundwortschatz zu konzentrieren und nur die wichtigsten Wörter zu wiederholen.
Mit Vokabel-Apps habe ich nie gearbeitet, daher weiß ich leider nicht, ob es dort Grundwortschatzfunktionen gibt. Doch Apps vereinfachen das Lernen enorm, so haben mir Eltern berichtet. Dazu mehr im Beitrag >> Karteikasten oder Vokabel-App
Bei meinen Schülern beobachtete ich, dass zwischen dem Einzelworttraining und den Sätzen im Schulbuch eine Wissens- und Verständnislücke klaffte. Einzelwort-Training klappte eigentlich ganz gut, aber wie die Wörter zusammen gehören, da begann die große Unsicherheit. Hilfsverben zeigen Ausnahmen (wie beim be), bunt gemixt mit regelmäßigen Formen des Einfachen Präsens (Simple Present). Mal ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die Rechtschreibung und Ausprache mit sich bringen. Aus dieser Überforderung erwachsen die Probleme, so dass LRS-Schüler von Beginn an nicht zurechtkommen.
Mit meinen Erkenntnissen erwuchs das ORÄNDSCH-Konzept, nämlich konsequent Personalpronomen/Nomen mit Prädikat zu üben, in einfachen 2 bis 3 Wortsätzen. Mit leichten Wörtern.
Diese Übungen trainieren sowohl Grundwortschatzwörter als auch Kernelemente der Sprache. Aus diesem gesicherten Kernelementen lassen sich dann leichter neue Aspekt anschließen.
Fazit
Sich immer wieder auf die Sicherung des Grundwortschatzes der 100 häufigsten Wörter zu konzentrieren (später 200 oder mehr), fördert die Sicherheit im Schreiben, Lesen und Verstehen. Dadurch können LRSler besser dem Unterrichtsstoff folgen und schwere Themen leichter aufnehmen. Sie machen die positive Erfahrung, dass sie mit wenig Aufwand gut mithalten können.
Entsprechende Karteikarten lassen sich einfach selbst schreiben (mit persönlichen Merkhilfen, kleinen Sätzen, was gerade hilft) und mit Alfi & Betti käuflich erwerben (#unbezahlte Werbung).
Zum Blick ins Buch (plus Inhaltsverzeichnis)